ProSaDi Teilprojekt 2: PAESE 3.0 (Provenienzforschung)
ProSaDi Teilprojekt 2: PAESE 3.0 (Provenienzforschung)
Projektteam
Prof. Dr. Lynn Rother
Dr. Claudia Andratschke
Prof. Dr. Monika Sester
Prof. Dr. Sascha Koch
Prof. Dr. Thomas Brinkhoff
Anastasia Bauch
PAESE 3.0: (Nicht)Wissen in kolonialen und postkolonialen Provenienzdaten modellieren
Im transdisziplinär angelegten Teilprojekt PAESE 3.0 wird erforscht, inwiefern die Umwandlung kolonialzeitlicher und postkolonialer musealer Provenienzinformationen in Linked Open Data (LOD), ein Web Standard, der festlegt, wie Ressourcen online veröffentlicht werden (Rother, Koss, Mariani, 2022), die sammlungsübergreifende Analyse kolonialer Machtbeziehungen zwischen territorialer Expansion und epistemischem (Nicht)-Wissen über “Objekte” und Sammlungen institutionen- und länderübergreifend ermöglichen kann.
Die PAESE Datenbank präsentiert derzeit in hybrider Form Objektdaten und Freitexte als Ergebnis einer sich seit Anfang der 2000 Jahre konstituierenden systematischen und institutionalisierten postkolonialen Provenienzforschung, die nicht nur nach dem kolonialen (gewalthaften) Kontext von Sammlungen fragt, sondern auch eine proaktive systematische Klärung ihres Status und seiner Bedeutung im Kontext transnationaler Debatten um indigenous cultural heritage, cultural property, Rückgabe und shared heritage einfordert (Förster, Eidenheiser, Fründt, Hartmann, 2018). Diese Ergebnisse beinhalten unsichere Daten und Wissenslücken, die auf respektive koloniale Kontexte als konstituierende Faktoren von (Nicht)Wissen verweisen.
Um zu verstehen, wie Museen epistemologisch dazu beitrugen, das koloniale Unternehmen über Netzwerke der Zirkulation und Dislokation von Kulturgut ins Mutterland zu manifestieren, beschreiben Osterhammel und Jansen Kolonialismus als „Phänomen kolossaler Mehrdeutigkeit“ (2015). So wurden nur in den seltensten Fällen wirkliche Details über einzelne Produzenten oder Vorbesitzer von ethnografischen Kulturgütern aufgezeichnet; oft gibt es nur eine geografische oder ethnische Zuschreibung, die Teil der rassistisch fundierten Produktion von (Nicht)Wissen über außereuropäische kolonisierte Gesellschaften ist (Zimmerer, Odenwald, Todzi, 2024).
Wie lassen sich sowohl dieser museal verortete koloniale Blick und die Art und Weise der objektbasierten Weltaneignung als auch die Ergebnisse einer proaktiven postkolonialen Provenienzforschung in semantischen webbasierten Infrastrukturen erfassen?
Das Projekt PAESE 3.0 beginnt mit einer proaktiven internationalen Umfrage unter indigenen und nicht-indigenen Community-Vertreter*innen, Digitalexpert*innen und Kolonial- und Globalhistoriker*innen zur Bedarfsermittlung an eine angemessene digitale Repräsentation von Objektbiographie-, Sammlungs- und Provenienzdaten aus kolonialen Kontexten für zukünftige datenbasierte Provenienzforschungen aus globalhistorischen Perspektiven.